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Spezifikationen für Folienverpackungen Teil 4: “Dynamische Folienprüfungen”

Mit praktikablen Spezifikationen Ressourcen und Nerven schonen
von Dipl.-Ing. Karsten Schröder

Teil 4: “Dynamische Folienprüfungen

Zusammenfassung

In diesem Teil werden die drei wesentlichen, praktikablen, dynamischen Prüfungen für Folienverpackungen dargestellt. Insgesamt wird hier festgestellt, dass die dynamischen Prüfungen an Folienverpackungen mithilfe von Prüfgeräten wesentlich schwieriger und weniger verbreitet sind als die quasistatischen Prüfungen wie z.B. der Zugversuch. Doch das hat seine Gründe, auch wenn ich hier herausarbeite, dass gerade diese Prüfungen gut geeignet sind, bestimmte praxisnahe Beanspruchungen einer Folienverpackung zu beschreiben und somit spezifizierbar zu machen. Es lohnt sich in jedem Fall, dynamische Prüfungen mit in die Spezifikation aufzunehmen – trotz aller Unsicherheiten wie Reproduzierbarkeit, Ausbildungsbedarf der Prüfer und natürlich Gerätekosten. Aber die Zeit ist „überreif“, auch das dynamische Funktionieren von Folienverpackungen zu garantieren.

 

1. Durchstoßprüfung

1.1         Übersicht üblicher Prüfmethoden

Es gibt eine ganze Reihe an Durchstoßprüfungen, die wir hier auf die wesentlichen, die in der Praxis vorkommenden, in der Übersicht reduziert haben. Grundsätzlich unterscheidet man auch hier zwischen statischen, quasistatischen und dynamischen Prüfungen. Als Faustformel gilt: Alles, was mit der Zugprüfmaschine oder ähnlichen Prüfgeschwindigkeiten geprüft werden kann ist quasistatisch und hier nicht das Thema.

a)    Liste einiger üblicher quasistatischer Durchstoßversuche

  • DIN EN 14477 spitzer Durchstoß (Kugelschreiber-Mienen-Test)
  • ASTM F 1306 (stumpfer Durchstoß)
  • Du-Pont Methode – Gewichtsbelastung einer spitzen Probe auf ein hart unterlegtes Prüfmuster

b)    Dynamische Durchstoßversuche

  • ASTM D 1709 / ISO 7765-1 Dart Drop
  • DIN ISO 7765-2 Bestimmung der Schlagfestigkeit nach dem Fallhammerverfahren – Teil 2: Durchstoßversuch mit elektronischer Messwerterfassung

Die beiden dynamischen Methoden unterscheiden sich drastisch in Aufbau, Genauigkeit und Auswertbarkeit. Beginnen möchte ich mit der weit verbreiteten, insbesondere bei Foliensäcken und Tragetaschen eingesetzten Prüfung des Dart-Drop.

 

1.2         ASTM D 1709 / ISO 7765-1 Dart Drop

– sieht einfach aus – ist er aber nicht

Der Versuchsaufbau erscheint trivial – ist er auch. Nur reproduzierbare Werte zu erzeugen ist es nicht. Ein Gewicht (genannt Dart) fällt aus einer definierten Höhe auf eine faltenfrei und fest eingespannte Folie. Diese Folie wird nun entweder von dem gewählten Gewicht durchschlagen oder eben nicht. Sollte die Folie nicht durchstoßen werden, wird das nächste, schwerere Gewicht verwendet.

Abbildung 2: Dart-Drop Prüfeinrichtung

Abbildung 1: Fallgewicht (DART)

Es wird nun das Gewicht ermittelt, bei dem 50% der Falltests die Folie durchstoßen und die andere Hälfte gerade noch nicht durchstößt.

Das erreicht man durch häufige Wiederholung des Versuches und wird durch einige Erfahrung mit dem Gerät deutlich erleichtert. Hier spielt die Erfahrung des Prüfers eine bedeutende Rolle.

Allerdings erschließt sich schon dem Laien, dass diese Methode einer gewissen Genauigkeitsschwankung unterworfen sein muss.

Aus der Praxis zeigt sich, dass gerade die Dart-Drop-Prüfung auch von einem erheblichen Prüfereinfluss geprägt sein kann. Je nachdem, wie die Durchschläge bewertet und wie feinfühlig und ausdauernd geprüft wird, schwanken die Ergebnisse mehr oder weniger.

Allerdings ergibt im Mittelwert die Prüfung durchaus eine Aussage darüber, ob es sich um eine eher dynamisch feste oder spröde Folienqualität handelt. Denn genau das ist eine Kernaufgabe der Methode: Unterschiede von signifikant unterschiedlichen Sprödheiten bzw. dynamischen Durchstoßfestigkeiten zu unterscheiden.

Eine typische Ergebnistabelle kann so aussehen, bei der die Schwankungsbreite gut erkennbar ist (reale Messwerte aus einer Spezifikations-Überprüfung).

 

 

1.3         DIN ISO 7765-2 Durchstoßversuch mit elektronischer Messwerterfassung

Dieses Verfahren könnte man als instrumentierte Weiterentwicklung des Dart-Drop bezeichnen. Die Prüfanordnung kann, je nach Ausführung, auch „auf den Kopf gestellt“ werden (siehe Bild). Mit diesem Gerät wird eine fest eingespannte Folie auf einen fest stehenden Dorn fallen gelassen. Das Fallgewicht und die Fallhöhe sind natürlich in der o.g. Norm definiert.

Abbildung 3: Messdorn und unten liegender Probenhalter des Durchstoßversuch mit elektronischer Messwerterfassung

Dieses Foto zeigt schon den Aufwand des Messgerätes. Hinzu kommt eine Auswerteeinheit, die nur
PC-gestützt realisierbar ist. Geräte dieser Art sind nach meinem Wissen Einzelanfertigungen und dementsprechend teuer.

Aber es lohnt sich, diesen Aufwand zu treiben, denn man bekommt neben einer gut/schlecht Aussage auch noch echte, gut reproduzierbare Messwerte, die sich insbesondere für Gutachten, Entwicklung und Materialoptimierung eignen. Auch im Bereich Qualitätssicherung findet man diese Prüfung bei den Unternehmen, die diese Geräte aufgestellt haben.

Allerdings sind die Messwerte wie

– Schädigungskraft                Fs        [N]

– Schädigungsverformung   ls         [mm]

– Schädigungsarbeit              Ws      [J]

– Durchstoßarbeit                  W ges [J]

nur bedingt für Spezifikationen geeignet, da ebenso wenige Folienhersteller über diese Prüfeinrichtung verfügen.

Aus diesem Grund empfehlen wir die Einbindung dieser Größen in eine Spezifikation als „typische Werte“, die keiner turnusmäßigen Überprüfung unterliegen, sondern nur als Vergleichswerte und zur Eigenschaftsdokumentation dienen.

Hier eine Tabelle typischer Werte einer Folie und deren Auswertbarkeit (bitte Tabelle anklicken):


 

 

 

 

 

Im Vergleich in folgender Tabelle ein ähnliches Material, das aber in der Praxis als zu spröde beurteilt wurde. Wie man „zu spröde“ messen kann, wissen Sie nun. Mit genau dieser Methode (bitte Tabelle anklicken)!

In den beiden vorgenannten Tabellen sind die Unterschiede zwischen dem „guten“ und dem „spröderen“ Material an den Zahlenwerten deutlich erkennbar. Dieses ist typisch für diesen Versuch und macht ihn so interessant für Entwickler und Gutachter. „Mit diesem Gerät kann ich messen, was viele auch fühlen können“, sagte mein ehemaliger Kollege gerne voller Stolz.

 

2. Weiterreißprüfung

2.1         Vorwort

Neben dem dynamischen Durchstoßen spielt das Weiterreißen nicht erst nach dem „Easy-Opening-Boom“ eine immer wichtigere Rolle. Für dünne Folien – also z.B. typische Deckelfolien für MAP (Modified Atmosphere Packaging) PET/PE oder PP/PE lassen sich da hervorragende Vergleichsmessungen anstellen. Schwierig wird es nur bei sehr dünnen (<30µm) und gleichzeitig orientierten Folien wie PP-BO oder PET-BO Folien, die dann auch noch unkaschiert – also „pur“ vorliegen.

Wenn ich hier über Weiterreißen schreibe, meine ich ausschließlich das „schnelle“ Weiterreißen, das wir auch heute noch mit dem Weiterreißwiderstand nach Elmendorf charakterisieren.

 

2.2         Prüfmethode

Abbildung 6: Schablone zur Probennahme

Zunächst wird aus der zu prüfenden Folie – selbstverständlich mit einer Schablone – die Probe entnommen. Diese ist so ausgeführt, dass der entstehende Riss, egal in welche Richtung er verlaufen wird, immer die gleiche Länge haben muss.

Die Prüfung selbst wird mit einem Pendelschlagwerk durchgeführt, welches die vorgestanzte, eingeschnittene Probe mit Fallgeschwindigkeit zerreißt. Es handelt sich somit nach unserer Definition in diesem Bericht um eine typische dynamische Prüfung, die das Ein- und Weiterreißen beim Handling von Folienverpackungen verschiedener Arten mit Messwerten vergleichbar macht.

Abbildung 7: Foto während des Momentes der Prüfung des Dynamischen Weitereißens

Dieses Foto zeigt den Moment des Durchreißens. Das Prüfgerät, das eigentlich aus der Papierindustrie stammt, gibt es heute natürlich mit digitaler Auswertung und ist nach wie vor weit verbreitet im Einsatz. Beachten sollte man die doch engen Einsatzgrenzen. Wird die Folie zu dick und zäh oder zu dünn und spröde, streuen die Werte extrem und die Ergebnisse müssen verworfen werden. Bei sehr dünnen Folien kann das Prüfen mehrerer Lagen, die aufeinander gelegt werden, helfen.

Aber gerade bei den typischen Problemfällen wie einer einreißenden Deckelfolie oder den kaum zu öffnenden Beuteln, zeigt diese Methode gute Vergleichbarkeit, wie die folgende Tabelle illustriert. Natürlich muss man auch hier, wie bei allen Prüfungen, die in eine bestimmte Richtung durchgeführt werden, mindestens in Längs- (MD) und Querrichtung (CD) prüfen.

 

2.3         Auswertung

Hier sieht man klar, dass die Werte zwar streuen, aber signifikante Unterschiede deutlich dokumentiert sind (bitte Tabelle anklicken).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Schlussbemerkung

Es gibt natürlich noch eine Reihe weiterer, dynamischer Folien- und Verpackungsprüfungen (Schlagzugzähigkeit, Abwurffestigkeit etc.). In diesem Bericht bin ich bewusst auf die drei Prüfungen eingegangen, die einerseits ein Schattendasein fristen und andererseits im Alltag oft zu Verwechslungen oder Unverständnis führen.

Außerdem bleibt so Platz und Motivation weitere Berichte zu verfassen, wenn Sie diese denn mögen und für nützlich erachten.

Geben Sie mir Feedback, Kritik und Anregungen für weitere Inno-Letter, Fachartikel, Blog-Beiträge oder Seminare und Tagungen.

Und zum Schluss noch ein Geschenk für alle, die Folienverpackungen mit Spezifikationen sicherer machen möchten.

Fordern Sie unsere kostenlose Innoform Branchen-Folienspezifikationsvorlage per E-Mail unter Coaching@innoform.de an und machen Sie mit, Folienverpackungen zu verbessern.


Zu diesem Inno-Letter passen folgende Events:
Verbundfolien für Einsteiger – Basiswissen zum Anfassen
20./21. Juni

Der Hygienemanager – Seminar + freiwillige Projektarbeit im eigenen Betrieb
24./25. September

Grundkurs: Aktuelles Lebensmittel- (Bedarfsgegenstände)recht in der Kunststoff-Verpackungsindustrie | neu überarbeitetes Seminar
9./10. Oktober

Mechanische Folienprüfungen – Theorie und Praxis
7./8. November

 

Kennen Sie schon Teil 1-3 der Themenreihe “Spezifikationen für Folienverpackungen”: Mit praktikablen Spezifikationen Ressourcen und Nerven schonen? Alle InnoLetter gibt es als PDF zum Download.

 

Freundliche Grüße
Ihr Karsten Schröder

Mitglied von InnoNET-Partners

Innoform GmbH Testservice
Industriehof 3
26133 Oldenburg
www.innoform.de
TS@innoform.de