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Wie teste ich, ob die Barriere ausreichend ist?

“Prüfen und Bewerten von Folienverpackungen”: Permeation (Teil 7)
von Karsten Schröder (Innoform)

Die Frage, ob die Barriere einer Verpackung ausreicht oder nicht, beschäftigt primär die Lebensmittelhersteller. In diesem Artikel gehe ich darauf ein, welche Hilfestellung ein Packmittelhersteller geben kann, was dieser mindestens wissen und auf was er hinweisen muss.

 

1        Gibt es Literaturdaten für Barriereanforderungen für bestimmte Lebensmittel?

Nein – sagen die meisten Experten auf diese provokante wie einleuchtende Frage. Lebensmittel sind eine Mixtur von „Chemikalien“. Anders ausgedrückt: Lebensmittel sind Naturprodukte – oder sollten es zumindest mehrheitlich sein – die zum einen großen Schwankungen in ihren Ingredienzen ausgesetzt sind und zum anderen die Bestandteile einzeln und in ihrer Kombination unterschiedlich auf z.B. Sauerstoff, Mikrobenwachstum oder UV-Strahlung reagieren. Aus diesem Grunde ist gerade die Praxisprüfung hinsichtlich der Eignung der Verpackung bei verpackten Lebensmitteln das Mittel der Wahl.

Allerdings gibt es einige, wenn auch grobe und veraltete Anhaltswerte, welche Gruppen von Lebensmitteln denn nun wie empfindlich auf z.B. Sauerstoffgehalt in der Packung reagieren. Hierzu haben u.a. das Fraunhofer Institut IVV in Freising und das ofi in Wien grobe Daten zusammengetragen, die dem „ Anfänger“ erste Richtwerte liefern.

Abbildung 1: Sauerstoff-Empfindlichkeit einiger Lebensmittelgruppen

 

2    Wie kann ich eine optimale Barriere (so viel wie nötig und so preiswert wie möglich) entwickeln?

Auf einer Experten-Tagung zum Thema Barrierefolien sprachen genauso viele Referenten über die nötige Barriere, wie über die (best-) mögliche Barriere. Daraus könnte man ableiten, dass heutzutage genauso intensiv an der Reduzierung der Barriereeigenschaften von Folienverpackungen gearbeitet wird, wie an deren Verbesserung. In der Tat dient ein großer Teil der Permeationsmessungen im Innoform Testservice dazu, Barrieren „abzuspecken“. Aber warum bemühen sich viele Ingenieure um das „Verschlechtern“ von Barrieren? Nun, der Grund ist die Kostenoptimierung. Zudem ist die Zahl der Varianten von Barrieren (organische und anorganische) stark gestiegen. Die Vielfalt fördert die Entwicklungsgeschwindigkeit und Ideen der Entwickler ebenso wie die der Controller in den Lebensmittelunternehmen.

Was antworten denn nun die Verpackungshersteller auf die Frage:
„Ich möchte das Produkt Milchpulver mit Vitamin C Anreicherung für 2 Jahre dicht verpacken. Welche Folie empfehlen Sie?“


2.1    Markts-Screening oder “Wettbewerbsanalyse”

Hat nun der Packmittelhersteller keine solchen Folien bereits qualifiziert, hilft ein Blick in die Bibliothek nur bedingt. Besser ist ein Blick in die Regale. Reverse Engineering nennt das die Auto-Industrie, die so etwas ständig und systematisch tut – gucken, wie es die anderen machen.
Mit Hilfe von heutigen Materialbestimmungs-Möglichkeiten mittels DSC, FTIR, Mikroskopie, REM, etc. können Folienverpackungen bis auf die Rohstoffebene schichtweise zerlegt und analysiert werden. Diese Materialanalysen an Folienverpackungen bilden auch einen Schwerpunkt in den Labors großer Folienhersteller und natürlich bei Innoform Testservice für den Mittelstand.

Wichtige Fragestellungen neben den reinen Strukturen sind natürlich:

  • Barrierewerte der Folie
  • Barrierewert der Gesamtverpackung
  • Schichtaufbau und Schichtdicken
  • Art der Barriereschicht (Aluminium, Metallisierung, SiOx-/AlOx Beschichtung, EVOH-Coex Schichten, PA-Schichten, Lacke etc.)
  • Art des Füllgutes (wie gut stimmt das Wettbewerbsprodukt mit „dem zu verpackenden“ Produkt überein)

Liegen alle diese Informationen – entweder durch Markt-Screening oder durch eigene Erfahrungen – vor, kommt es zum nächsten, wichtigen Schritt einer Verpackungsentwicklung –   dem Lagertest.

 

2.2    Der Lagertest (Verifizierung)

Unter einem Lagertest verstehen wir hier den Test im Labor unter möglichst praxisnahen Bedingungen. Da Laborprüfungen nie die Wirklichkeit abbilden können, ist dieser wichtige Test doch nur eine Vorstufe des Praxistes, der aber zeit- und kostenschonend ist. Hinzu kommt, dass viele Varianten verglichen und geprüft werden können z. B. verschiedene Folien, verschiedene Rezepturen der Lebensmittel, verschiedene Lagerbedingungen und -zeiten.

Grundsätzlich gibt es immer Wechselwirkungen zwischen

  1. Umwelt und Füllgut
  2. Füllgut und Packstoff
  3. Umwelt und Packstoff

Alle drei Varianten müssen bei der Prüfung mit betrachtet werden – das geht nur im Dialog zwischen Lebensmittelhersteller und Packmittelproduzenten.

Und so geht man am einfachsten vor:

a) Erstellung von Testpackungen in den verschiedenen Packmaterialien und ggfs. mit verschiedenen Rezepturen des Lebensmittels (z. B. Extreme, die die Schwankungen der Jahreszeiten und Prozesse abdecken)

b) Messung relevanter Qualitätskenngrößen einer Barriereverpackung

  • Restsauerstoffgehalt nach Verschluss der Packung
  • Vitamingehalt
  • Bewertung/Messung der Farbe
  • Sensorik…

c) Lagerung unter den gewünschten, den zu erwartenden und den worst-case Bedinungen

d) Bewertung der Schlüssel-Qualitätskriterien (z.B. Restsauerstoffgehalt, Gewichtsveränderung, Sensorik, Vitamingehalt…)

e) Bewertung der Ergebnisse und Planung des Praxistests

Wichtig ist bei dem Lagertest, dass wirklich möglichst nah an der Praxis gearbeitet wird. Denn die Störer lauern im Prozess genauso wie im Material. Letzlich kommt es auf die Gesamtverpackung an.

Abbildung 2: Typische Schwachstellen einer flexiblen Verpackung hinsichtlich Barriere

 

 

2.3    Der Praxistest (Validierung)

Der Spitzenreiter aus dem Lagertest kommt nun ins Finale – den Praxistest. Heutzutage haben nicht mehr viele Unternehmen die Zeit, das Geld und vor allem die Experten im Praxistest noch mehrere Kandidaten ins Rennen zu schicken. Meistens wird sofort eine kleine Produktionsmenge des besten Produktes aus dem Lagertest für einen Markttest oder eine Promotions-Menge genommen. Hier ist besonders darauf zu achten, dass wirklich keine Änderungen mehr im Vergleich zu der Probemenge „gewagt“ werden. Das ist nach meiner Erfahrung leider häufig der Fall und fast immer der Grund für ein Scheitern.
Sollten sich neue Erkenntnisse eines noch besseren Systems im Lagertest ergeben haben, muss dieses neue System noch einmal durch den Lagertest geschickt werden, bevor man in die Serie geht – auch wenn es schwer fällt.

Und zuletzt noch ein Apell: Sorgen Sie schon im frühen Stadium der Entwicklung – also vor dem Lagertest spätestens, für eine Lebensmittelrechtliche Konformität. Prüfen Sie parallel zu den üblichen, oben genannten qualitätsrelevanten Prüfungen auch die lebensmittelrechtliche Seite – sowohl formal als auch mit echten Laboruntersuchungen wie Migrationsprüfungen und Packmittelsensorik, um später keine Überraschung zu erleben und die Zeit, die die Lagertests benötigen, parallel auch hierfür zu nutzen.

Ich freue mich wieder auf zahlreiche Kommentare und Anregungen für weitere Beiträge in unserer Innoform Expertenecke hier oder auf XING.

Freundlicher Gruß,

Karsten Schröder

 

P.S. Weitere Artikel zu diesem Themenbereich finden Sie nachstehend:

1. Kennen Sie eigentlich den Unterschied zwischen Dichtheitsprüfung und Permeationsmessung?

2. Was bedeutet eigentlich die Einheit cm³/m³ x d x bar bei der Permeationsmessung?

3. Was ist eigentlich die Permeationsrate?

4. Was gibt die Wasserdampfdurchlässigkeit eigentlich an?

5. Was bedeutet, die Folie hat eine gute Barriere?

6. Welchen Einfluss hat Feuchtigkeit auf die Sauerstoffbarriere?

 

 

Die nächsten Innoform Veranstaltung finden Sie HIER.

 

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